Die jugoslawische
Marine in der Adria
Auszüge aus einem Aufsatz von Jürg Meister
In: Marine-Rundschau 1963 (H.3) S.137-152
Unmittelbar nach der Kapitulation der jugoslawischen Armee im Juni 1941 nahmen die serbischen Partisanen des königstreuen Oberst Mihailowitsch den Kampf gegen Deutsche und Italiener auf. Die kommunistische Untergrundbewegung entstand dagegen erst einige Zeit nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion.
1943/1944: Jugoslawische Hilfsschiffe des Marschalls Tito |
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Der Partisanenkrieg entwickelte sich zunächst im Innern des Landes und drang erst allmählich an die Küste vor. Da die königstreuen "Tschetniks" hauptsächlich in Serbien tätig waren, traten die Partisanen Titos entlang der Küste mit der Zeit viel stärker in Erscheinung als die Truppen des Oberst Mihailowitsch, die zudem verschiedentlich lokale Stillhalteabkommen mit den italienischen Befehlshabern abschlossen. Die Tätigkeit der Partisanen im Küstengebiet konzentrierte sich zunächst auf Personentransporte und Sabotageaktionen. So wurden z.B. in Split am 21.8.1941 das Schiff Niko Matkovicz und am 6.10.1941 die Palermo in Brand gesteckt und am 15.10.1941 der Kessel des Minenlegers Vergada (ex-jugosl. Orao) gesprengt. Darüber hinaus wurden etliche Leuchtfeuer durch Sabotageakte außer Betrieb gesetzt.
Ferner wurden an der Küste sogenannte "Punkte" organisiert, die eine Beobachtung des italienischen Küstenverkehrs erlaubten und über die mit Hilfe von Fischerbooten bis zur italienischen Kapitulation rund 5000 Menschen und größere Mengen Material nach den Partisanengebieten, vor allem im Biokovo-Gebirge, gebracht wurden. Ebenso wurden 140 Minen demontiert und der Sprengstoff ins Landesinnere gebracht. Auf den Inseln Gammenjak und Ravi wurden unterirdische Munitionslager angelegt.
Ab Januar 1942 gingen die Partisanen auch zu Angriffen auf die italienische Küstenschiffahrt über. (...) Diese erfolgten zunächst von Land aus, später auch mit Hilfe von Fischerbooten und anderen Kleinfahrzeugen. Insgesamt wurden etwa 80 Schiffe angegriffen, von denen 32 gekapert oder vernichtet werden konnten. (...) Einzelne Schiffe wurden auch im Hafen überfallen, wie z.B. am 26.7.1942 der Motorsegler Sofia bei der Insel Iz.
Die Italiener setzten 1942 entlang der Adriaküste etwa 60 kleine Dampfer und 100 Motorsegler für ihren Nachschub ein, die in 67500 Fahrten 9,3 Millionen Tonnen Material beförderten. Den italienischen Sicherungskommandos MARIFIUME und MARIDALMAZIA unterstanden etwa 100 Fahrzeuge, von Torpedodampfern bis zum bewaffneten Motorsegler. Ab August 1942 wurden die Schiffe der regulären Linienfahrt (etwa 15 Einheiten) mit leichten Geschützen ausgerüstet und jedem Geleitzug 5 Soldaten einer Bordflakeinheit mitgegeben.
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Partisanenboote
vor der Insel Brac
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Auf jugoslawischer Seite wurde am 18.12.1942 die erste schwimmende Partisanen-Marineeinheit (MPE) mit 150 Mann in Podgora, Tucepi und Igrane aufgestellt. Ab Februar 1943 erhielt sie die erste schwerere Bewaffnung, eine Pak, mit der von der Straße bei Drasnica aus auf vorbeifahrende Schiffe geschossen wurde. An Schiffen standen der 1. MPE zunächst das kleine Motorschiff Partizan und der Motorsegler Pionier zur Verfügung. Bereits Mitte Februar wurde die Partizan von italienischen Flugzeugen im Hafen von Podgora versenkt. Trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche gelang des den Partisanen der MPE, insgesamt 19 italienische Schiffe zu kapern oder zu versenken, während 5 Angriffe mißlangen. Den größten Erfolg erzielten 2 Partisanenboote bereits in der Nacht zum 31.12.1942, als sie im Küstengebiet von Makarska gleich 6 italienische Küstenfahrzeuge erbeuten konnten. Daraufhin ordneten die Italiener an, dass im Gebiet von Makarska nur noch dreimal wöchentlich Geleite von mindestens 4 bewaffneten Schiffen verkehren durften.
Obwohl die Italiener im Grunde nicht den Kampf mit den Partisanen suchten und die kroatischen "Ustaschi" und andere Hilfsverbände keinen großen Kampfwert hatten, erschwerten ihre Sicherungsmaßnahmen die Angriffe der Partisanen-Marine ganz außerordentlich. Die Zusammenfassung der Küstenschiffahrt in Geleiten reduzierte allerdings das Transportvolumen um etwa 50 Prozent, was auf die Dauer jedenfalls die Versorgung der italienischen Garnisonen im Süden erheblich erschwerte. Die italienische Küstenverteidigung verschanzte sich und stützte sich auf zahlenmäßig starke Heeresgruppen, Carabinieri und Zollwache. Mehrere Versuche im Sommer 1943, der Partisanenbewegung im Gebiet von Makarska Herr zu werden (Unternehmen »Aurea«), erzielten jeweils nur vorübergehende Erfolge.
Operationen
gegen die deutsche Wehrmacht
September 1943 bis Mai 1945
Anlässlich der Kapitulation Italiens gelang es den Partisanen, beträchtliche Waffen-, Material- und Geländegewinne zu erzielen, die von den nachrückenden deutschen Truppen nur teilweise rückgängig gemacht werden konnten. Nach Besetzung der wichtigsten Häfen Zadar, Sibenik, Split, Dubrovnik, Durazzo und Valona sollten die deutschen Truppen längs der Küste vorgehen und die einzelnen Abschnitt unter Kontrolle bringen, was nur unvollständig gelang, da die Partisanen aggressiv gegen die zahlenmäßig schwachen deutschen Verbände vorgingen. Vereinzelte italienische und kroatische Detachements gingen sogar zu den Partisanen über, so z.B. am 8.9.1943 das Hafenamt Crikvenica. Das am 19.9.1943 in Split gebildete Küstenabschnittkommando wurde von den Partisanen ebenso übernommen wie ein weiteres Küstenkommando in Knin (Norddalmatien). Mangels direkter Verbindungen zwischen den Küstenkommandos war es aber schwierig, gemeinsame Aktionen zu kombinieren.
Am 18. Oktober 1943 gründete Marschall Tito die "Marine der nationalen Befreiungsarmee" (MNBA), zu deren Chef Korvettenkapitän Josef Czerni ernannt wurde, und die operativ und organisatorisch dem in Dalmatien operierenden 8. Partisanen-Armeekorps unterstand. Der Stab der MBNA nahm seine Tätigkeit am 26. Oktober 1943 in Hvar auf, übernahm den Oberbefehl über die einzelnen Küstenkommandos und teilte die gesamte jugoslawische Küste in 6 Abschnitte ein. Von diesen Sektoren befanden sich im Moment der Formierung die Triestiner (I) und Bokel-Abschnitte (VI) in deutscher Hand.
I. Triestiner Sektor vom Isonzo bis zur Mirna | IV. Spliter Sektor bis zur Narenta-Mündung |
II. Kvarner Sektor bis Straße von Lubacz | V. Peljesacz-Sektor bis Cavtat |
III. Zadar-Sibenik-Sektor bis Plocze | VI. Bokel-Sektor bis zur Bojana |
Nunmehr setzte ein Wettrennen zwischen den Deutschen und den Partisanen nach den Inseln ein. Mitte November 1943 wurde vom 8. Armeekorps aus dem Stab der MBNA und dem Stab der 26. Partisanen- Division ein gemeinsamer "Operativer Stab für die Inselverteidigung" gebildet und die Truppen auf die vorgelagerten Inseln überführt, wo sich sich so gut wie möglich zur Verteidigung einrichteten. Die Inseln wurden in 3 Abschnitte eingeteilt: Sholta-Bracz, Hvar-Vis und Korcula-Mljet-Lastovo mit je einem eigenen operativen Stab. Die einzelnen Küstenbatterien und PC-Flottillen unterstanden operativ den Inselstäben, organisatorisch jedoch weiterhin dem IV. resp. V. Sektor, wie auch die einzelnen Partisanen-Brigaden weiterhin zur 26. Division gehörten.
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23.10.43:
Stoßtruppunternehmen |
Im Januar 1944 wurden die Schiffe der MNBA in bewaffnete Schiffe (NB) und Patrouillenboote (PC) eingeteilt, daneben gab es noch einige Hilfsschiffe (Nähere Einzelheiten). Auf deutscher Seite verfügte das MGK Süd unter dem Admiral Adria über die Schiffe der 11. Sicherungsdivision, die allerdings einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit den ab 1944 in der Adria tätigen alliierten Zerstörern, U-Booten, MTB und MGB widmen mußten und für die Bekämpfung der Partisanenschiffe auch nicht besonders geeignet waren.
Speziell für den Schutz deutscher Nachschubtransporte und den Kampf gegen Partisanen wurde der sogen. "Tintenfischverband" aufgestellt. Dabei handelte es sich um verdeckt bewaffnete Artillerie-Kümos. Nach dem Mißerfolg mit Tifi A (Anton ex-ital. Bianca Stella), welches am 26.4.1944 vor der Insel Olib in einen Hinterhalt geriet und von den jugoslawischen Wachbooten PC 3 und PC 4 als Prise eingebracht wurde, und auf Grund von Schiffsraummangel wurde der Verband aufgelöst und ab 14.5.1944 auf die Herrichtung weiterer "Partisanen-Fallen" verzichtet. (Einheiten als Geleitboote G 231-237 an die 2.Geleitflottille abgegeben. Siehe auch Gröner/ Jung/ Maas Bd.VIII.2, S.540).
Hauptaufgabe der deutschen Marine wie auch der Partisanen war die Verteidigung der eigenen Nachschubtransporte über See. Von deutscher Seite wurde auch versucht, den Partisanen-Verkehr zu unterbinden, während die Partisanen mangels geeigneter Fahrzeuge den deutschen Seeverkehr nicht systematisch angreifen konnten, sondern diese Aufgabe den alliierten Streitkräften überlassen mussten. (...) Die Deutschen legten auch Minen, doch gingen nur wenige Partisanenschiffe durch dieses Kriegsmittel verloren. Die Partisanen bargen vielmehr die Minen und verlegten sie erneut, auch Minen mit elektrischer Fernzündung wurden verwendet, die Ende August 1944 eine Siebelfähre im Kanal von Pasman schwer beschädigten.
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Crvena
Zvijesda ex Tifi A "Anton" ex Bianca Stella
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Jugoslawische Quellen erwähnen für das Jahr 1943 (4 Monate) insgesamt 22, für 1944 insgesamt 26 und für 1945 (4 Monate) nur noch 1 Aktion gegen den deutschen Seeverkehr. Andererseits sollen die Deutschen 1943 insgesamt 9, 1944 insgesamt 29 und 1945 noch 3 Aktionen gegen die Partisanenschiffe durchgeführt haben. Von Flugzeugen aus erfolgten 1943 (4 Monate) 8 Angriffe, 1944 insgesamt 10, und 1945 keiner mehr. Deutsche Kriegsschiffe, hauptsächlich S-Boote, meldeten 1944 insgesamt 12 Gefechtsberührungen, von der Küste aus fanden in diesem Jahr 7 Feuerüberfälle statt.
Im Verlaufe des Jahres 1944 erlitten die Deutschen beträchtliche Verluste durch alliierte Kriegsschiffe, Flugzeuge und Minen, was die Partisanen in die Lage versetzte, in der Schlussphase des Krieges aus der bisherigen Defensive hervorzutreten. Bereits ab Mai 1944 verfügten die Deutschen nicht mehr über die absolute Seeherrschaft. Die jugoslawische Offensive richtete sich nun vor allem gegen die noch deutsch besetzten Inseln und Küstenabschnitte.
Dazu wurde Anfang 1945 eine erneute Umorganisation vorgenommen. Die Seestreitkräfte erhielten den Namen "Jugoslawische Marine", an Stelle der Sektoren wurden See- und Küstenkommandos aufgestellt. Die Offensive wurde am 20.3.1945 von der 4. Armee gegen Bihacz ausgelöst und dehnte sich nach dessen Einnahme auf den Küstenabschnitt und die Inseln aus. Auf jugoslawischer Seite wurden vor allem die modernisierten und unbewaffneten 9. und 26. Partisanen-Divisionen, die Kvarner Marine-Infanterie-Abteilung sowie die Kvarner Seestreitkräfte eingesetzt. (...) Der amphibische Küsten- und Inselkrieg endete mit einem totalen Erfolg der Partisanen, die in organisatorischer und praktischer Hinsicht mit viel Geschick die sich verschlechternde Lage Deutschlands ausnutzte, sich meistens rechtzeitig vor stärkeren deutschen Kräften zurückziehen konnten, um später an anderer Stelle mit überlegenen Mitteln isolierte deutsche Verbände zu überwältigen.